Archiv

23.09.12

Marion Brasch in der Möbelfolie: „Ab jetzt ist Ruhe“

Sichtlich wohl fühlte sich Marion Brasch am Samstag Abend, zu Gast in der Biesenthaler Möbelfolie auf Einladung von Kultur im Bahnhof e.V.. Ein spannender Ort, der wie geschaffen dafür war, sich an ein Leben in der DDR zu erinnern. Skurril wirkte da die kleine Bühne, die mit Gartenmöbeln bestückt unter einem bunten Sonnenschirm entspannte Atmosphäre vermittelte. Diese verleitete Brasch dazu, gleich mit einer Passage ihres Buches über Hiddensee zu beginnen. Bereits nach kurzer Zeit hatte sie die Zuhörer in den Bann gezogen. Das lag nicht nur an ihrer angenehmen Stimme mit Wiedererkennungserlebnis – die Einen kennen sie aktuell von radioeins, die Anderen erinnern sich an die dt64 Moderatorin – sondern auch an ihrer aufgeweckten Vorstellung. Genauso lebendig wie sie in ihrem Buch schreibt, las sie vor, antwortete auf Fragen und gab Hintergründe preis. Es war offensichtlich, dass nicht wenige der 80 Zuhörer bereits in ihrem Buch gelesen hatten und diese beeindruckende Persönlichkeit, so bescheiden wie sie daher kam, live erleben wollten.

Auf die Frage, warum sie in ihrem Buch die bekannten Personen oder den Film nicht beim Namen nennt, in dem ihr Bruder mitgespielt hatte, antwortete sie, dass sie Angeberei durch sogenanntes name dropping von vornherein hatte vermeiden wollen. Und auch der Verlag habe sich geirrt. Das Buch verkaufe sich nicht allein wegen ihres Namens. Die persönliche Geschichte ihrer damals privilegierten Familie, von der sie die einzige noch Lebende ist, bringe auch typische Vater-Sohn Beziehungen und Autoritätskonflikte mit pubertierenden Töchtern auf drastische Weise zum Vorschein. Und diese Geschichte spiegele das schwierige Verhältnis derjenigen Menschen in der DDR wieder, für die der Kommunismus Glaube und Hoffnung war. Ihr Vater, stellvertretender Kulturminister, habe erst vom Judentum zum Katholizismus und dann zum Kommunismus konvertiert. Er sei zwar wegen nichtkonformen Verhaltens von der Partei für ein Jahr nach Moskau geschickt worden war, um wieder auf Linie getrimmt zu werden. Mit den antiautoritären Bestrebungen der 80er Jahre kam er selbst jedoch nicht klar. Die Wende hat er nicht mehr erlebt. Im Grunde, resümierte Brasch, drehe sich das Buch doch immer um ihren Vater, der das Leben ihrer Familie maßgeblich bestimmt habe.

Fotos: Heribert Rustige

Zu dem Buch sei sie gekommen, weil sie aufgefordert wurde, ihre Erlebnisse aufzuschreiben. Jetzt machte sie den Eindruck, dass sie ihre Geschichte und den Verlust von Eltern und Brüdern nicht nur außerordentlich gut für sich verarbeitet, sondern auch am Schreiben Interesse gefunden hat. Noch ist nicht „Ruhe“ und es sei jedem empfohlen, eine ihrer Lesungen zu besuchen oder gar selber nachzulesen. Leider hatte der Verlag keine Bücher zum Verkauf bereitgestellt und so blieb es nur wenigen vorbehalten, sich ein Autogramm in ihr Exemplar einschreiben zu lassen.

Wir danken der Möbelfolien GmbH für die Kooperation und das Zur-Verfügung-Stellen der Räumlichkeiten.

Heribert Rustige